Quantcast
Channel: Ronald J. Pohoryles » Politik
Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

In Abwandlung von Karl Kraus: Zu Italien fällt mir nichts mehr ein

$
0
0

Fassen wir also zusammen:

  • Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone befindet sich in einer massiven politischen und ökonomischen Krise. Nach den Wahlen ist sie de facto in die Unregierbarkeit zurückgefallen, egal, ob eine Regierungsbildung möglich wird oder nicht; eine allfällige Koalitionsbildung wäre jedenfalls kurzlebig und mit Neuwahlen würde sich daran wenig ändern.
  • Zwei Politclowns, die sich erfreulicherweise gegenseitig hassen, haben de facto die italienischen Wahlen gewonnen. Einer davon ist wie eine Rakete aufgestiegen, der andere nur durch diverse Machinationen dem Gefängnis entgangen.
  • Die bisherige Opposition hat die Parlamentswahlen zwar – hauchdünn – gewonnen, eine Mehrheit im Parlament ist nur durch jenes Wahlgesetz möglich, dass die bisherige Opposition massiv bekämpft hat, weil es bisher dem Machterhalt Berlusconis diente. Im Senat herrscht ein Patt.
  • Beide Blöcke sind äußerst heterogen, was auf die zersplitterte Parteienlandschaft in Italien zurückzuführen ist.
  • Die Liberalen sind zur Bedeutungslosigkeit verkommen.
  • Die stärkste Partei der Liberalen, Italia di Valori, hat sich, Spiegelbild der gesamten Heterogenität des  italienischen Parteienlandschaft, auf ein eigentümliches Wahlbündnis mit linksradikalen Parteien eingelassen. Ihr Wahlbündnis “Orange Koalition” mit “Rivoluzione Civile” (Bürgerrevolution) verfehlte die 4%-Sperrminorität deutlich. Bei den letzten Wahlen 2008 hat IdV noch 28 Abgeordnete im Parlament und 14 Senatoren gestellt. Noch vor einem Jahr wurden der Partei eine Verdoppelung des damaligen Ergebnisses vorhergesagt. Das jetzige Ergebnis: Null in beiden Häusern.
  • Die anderen liberalen Parteien, Radicali Italiani, Partito Liberale und Partito Repubblicano sind defacto nicht existent. Warum es nicht zu einem Wahlbündnis zwischen den liberalen Parteien gekommen ist, ist mir ein Rätsel, zumal IdV und Radicali beide Mitgliedsparteien der Partei der europäischen Liberalen, der ALDE Party sind.
  • Mario Montis Partei blieb weit unter den Erwartungen; sein Antreten mag freilich die Liberalen weiter geschwächt haben.

Insgesamt ist das Ergebnis nicht überraschen; es war schon zuvor aus den Meinungsumfragen erwartbar. Zwar gab es die de facto Unregierbarkeit in Italien schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts; freilich waren damals die Umstände ganz andere: Zumindest in Norditalien gab es in den 1970er Jahren eine florierende und innovative Industrie, getragen von Klein- und Mittelunternehmen mit flexibler Spezialisierung, die von den Regierungskrisen nicht gebremst werden konnte. Und das Problem war ein italienisches und kein europäisches. Beides trifft heute nicht mehr zu.

Keine Überraschung also, aber Ratlosigkeit. Nicht nur Italien, sondern in ganz Europa.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

Latest Images





Latest Images